Am vergangenen Wochenende stand nun also ein weiterer Mammutmarsch auf dem Programm. Leider wurde dieser am Sonntag bereits gegen 4:30 Uhr abgebrochen. Für mich war das wirklich sehr schade. Als ich von erführ, war ich kurz vor dem 3. Versorgungspunkt und fühle mich recht gut. Da wären bestimmt 80 oder vielleicht sogar die kompletten 100 Kilometer drin gewesen. Fangen wir aber vorne an:
Aufgrund der enorm gestiegenen Teilnehmerzahl mussten die Veranstalter den Startpunkt gut einen Monat vor dem Marsch ins Sportzentrum Erkner verlegen. Dies war aber eine – aus vielerlei Hinsicht – gute Entscheidung: zum einen war sehr viele Platz, die vielen Teilnehmer und deren Begleitungen ohne große Drängeleien aufzunehmen, zum anderen änderte sich dadurch die Route, so dass wir erst einmal den Müggelsee nahezu komplett umrunden durften. Einziger Wermutstropfen: Der Grillmeister war vom Andrang etwas überrauscht und kam mit seinen zwei kleinen Grills kaum hinterher!
Trotz der schlechten Wetterprognosen konnten wir bei strahlendem Sonnenschein mit der ersten Startgruppe pünktlich um 15:45 Uhr loslaufen. Im Übrigen war die Aufteilung in die 10 Startgruppen auch eine gute Idee der Veranstalter, denn so verteilten sich die Massen bereits bei der Ankunft, was die Situation noch mehr entspannte. Nach gut 7 Kilometern erreichten wir – in der noch immer recht kompakten Gruppe – den Müggelsee. Die Wahl der Startgruppe 1 zeigte sich als eine sehr gute, denn die meisten der Teilnehmer in dieser Gruppe nahmen den Marsch sehr Ernst und gingen die Sache in einem vernünftigen Tempo an. Nach weiteren 3 Kilometern am Ufer des Sees, an dem es sich sehr gut laufen lässt, erreichten wir unseren ersten (selbst gewählten) Rastpunkt am Biergarten „Rübezahl“. Wir hatten uns die Strecke in deutlich mehr Rastpunkte aufgeteilt, als es der offizielle Plan vorsah. So machten wir alle 2 Stunden = 10 Kilometer eine 15-minütige Pause.
Gut gestärkt und frisch gedehnt ging es auf das nächste Teilstück. Auf der Westseite des Sees lies der Wind nach und wir erreichten ohne große Probleme den ersten offiziellen Versorgungspunkt nach 15 Kilometern im Strandbad Müggelsee.
Hier nahmen wir nur kurz frisches Wasser, Bananen und Riegel auf, um sofort wieder am die Strecke zu gehen. Die von den Veranstaltern angekündigte Idee, Messbecher zum besseren Befüllen der eigenen Trinkflaschen einzusetzen, war absolut super. Nahezu ohne Verschwendung konnten die Flaschen zügig befüllt werden!
Nach weiteren 2 Kilometern passierten wir den S-Bahnhof Rahnsdorf, bei dem sich schon die ersten Teilnehmer verabschiedeten. Es ging in ein Waldstück parallel zur S-Bahn-Trasse, welches sich über 4 Kilometer als die erste Herausforderung darstellte: der Boden war weich, sandig und mit Wurzeln durchzogen! Bei jeden Schritt rutschte man ein wenig aus oder stolperte und die ca. 200 Teilnehmer vor uns verursachten eine Staubwolke, die einen unangenehmen Belag auf Brille, Lippen und Zunge verursachte. Auch einen Tag nach dem Marsch hatten meine Augen mit den Resten zu kämpfen und es sammelten sich schwarze Überreste in den Augenwinkeln.
Nachdem wir dieses Teilstück geschafft hatten, stand – mit leichter Verzögerung – bei Kilometer 23 die nächste Rast auf dem Plan! Auch hier gab es ein wenig zu Essen, ordentlich Flüssigkeit und wir nutzen die Chance zur leichten Dehnung.
Mit der untergehenden Sonne wurde die Luft nun deutlich kühler. Grund genug, die geplanten 15 Minuten Pause nicht komplett auszunutzen und uns wieder auf die Socken zu machen. Es stand ein ca. 7 Kilometer langer Abschnitt auf dem Programm, der uns – teilweise auf den Wegen des Mammutmarsches des letzten Jahres – bis nach Dahlwitz-Hoppegarten brachte. Nach nunmehr über sechs Stunden Marsch hatten wir uns eine erste längere Pause verdient. Am Rande der Strecke gab es eine ausgedehnte Mahlzeit mit Nudeln und einem alkoholfreien Hefeweizen. Außerdem legten wir alle Kleidung, die wir hatten sowie unsere Stirnlampen an. Für die Nacht waren Temperaturen von 3 bis 5°C angekündigt, so dass ich sogar meine Laufhandschuhe anzog.
Gut verpackt und ordentlich gestärkt ging es in die Nacht. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Kilometer 35 zur Aufnahme neuer Getränke, kreuzten wir in Neuenhagen den östlichen Berliner Ring. Über die bekannten Wege quer durch die Felder kam wir gegen 1:00 Uhr zur vierten Pause bei Kilometer 40 in Fredersdorf an. Das Training der letzten Monate machte sich bezahlt, denn bis hier her hatten wir kaum körperliche Probleme. Zwar zwicke Karli das Knie nach gut 2 Stunden, was er aber wie raus laufen konnte. Ich hatte zwischenzeitlich das Gefühl leichter Krämpfe im Oberschenkel, was aber mit isotonischen Getränken und etwas Dehnung auch in den Griff zu kriegen war. Ich spürte nun allerdings deutlich die Nacht. Glücklicher Weise hatte uns Straußi ein paar „Flying Horse“ besorgt. Zusammen mit einer Airmenbean rüttelte es mich ordentlich wach, so dass wir uns auf die kurzen vier Kilometer zum zweiten offiziellen Versorger machten.
Der Weg führte über absolut dunkle, holprige Wege, welche sich auch mit unseren beiden Kopflampen nur schwer ausleuchten ließen. Auf gut der Hälfte passierte das Unglück: Eine Folge von vier, fast nicht sichtbaren Senken konnten wir nur zu einem Teil erkennen und den ersten drei ausweichen. In die vierte Senke traten wir beide zeitgleich mit vollem Schwung. Da ich mit den Handschuhen die Hände frei hatte, konnte ich gut gegensteuern. Karli hatte seine Hände in den Jackentaschen und versuchte das Ungleichgewicht mit dem Bein abzufangen. Dabei vertrat er sich das rechte Knie und dieselbe Verletzung des letzten Jahres brach wieder auf. Da auf dem restlichen Stück bis zum Versorger keine ebenen Abschnitte mehr vorhanden waren, konnte er das Problem auch nicht auslaufen 🙁
Beim Versorger an Kilometer 44 angekommen, war klar, dass Karli den Marsch abbrechen musste! Ich musste mich nun entscheiden, ob ich – wie schon letztes Jahr – den restlichen Weg alleine gehen wollte. Ich war hundemüde, fühlte mich körperlich aber wunderbar. Hinzu kam, dass uns Straußi nun verlassen musste, um selbst den Heimweg anzutreten. Damit musste ich die 15 Kilometer bis zum dritten Versorger ohne weiteren Support auf mich nehmen und vor allem zum ersten Mal auf der Route die benötigen 2 Liter Wasser selbst tragen.
So startete ich gegen 2:30 Uhr guten Mutes die einsame Reise, denn das Teilnehmerfeld hatte sich schon deutlich geschmälert. Dennoch begleiteten mich einige Teilnehmer, deren Bewegungsabläufe allerdings eher einen Abbruch empfohlen hätten. Ich brauchte ca. 30 Minuten, um meinen eigenen Rhythmus zu finden. Zwischen 3:00 und 4:00 Uhr irgendwo in den Brandenburger Wäldern musste ich harsch mit mir und der Demotivation kämpfen. Ich hielt mich aber an die stündlichen Pausen und überstand die nächsten 10 Kilometer sehr gut. Als ich die Stadtgrenze von Strausberg erreicht und es langsam am Horizont graute, gab mir der nahende Sonnenaufgang neuen Schwung. Leider brachte die Helligkeit nicht nur neuen Elan, sondern auch den ersten Ernst zu nehmenden Regen des Marsches. Glücklicher Weise war zu diesem Zeitpunkt – ca. 5:00 Uhr – der Versorgungspunkt bei Kilometer 59 nicht mehr weit entfernt.
In freudige Erwartung der nächsten großen Mahlzeit steuerte ich auf die letzten 3,5 Kilometer bis zur Pause zu. Dabei fiel mir auf, dass vermehrt Streifenwagen an mir vorbei fuhren. Ein entgegenkommendes Fahrzeug hielt gegen 5:20 Uhr dann auch bei mir an und informierte mich, dass der Marsch abgebrochen wurde! Mir wurde empfohlen direkt zum S-Bahnhof Rehfelde zu gehen. Dies war aber keine Option, denn nach fast 14 Stunden auf den Beinen brauchte ich die geplante Verpflegung und neue Getränke. Und so setzte ich meine Route fort und kam gegen 5:40 Uhr am Verpflegungspunkt an, wo man mir den Abbruch noch einmal bestätigte.
Ich war zu diesem Zeitpunkt extrem traurig und spielte mit dem Gedanken, auch ohne offiziellen Rahmen den Marsch fortzusetzen. Immerhin hatte ich gut zweidrittel geschafft und hatte – bis auf ein paar Gebrauchsspuren – keine wirklichen Probleme! Mit dem Wissen, dass aber auch die anderen Versorgungspunkte nicht mehr zur Verfügung standen, verwarf ich diesen Plan und holte mir die verdiente Urkunde ab. Glück im Unglück war, dass Frank an dieser Station als freiwilliger Helfer tätig war und mich so wenigstens direkt mit nach Hause nehmen konnte.
Hier sieht man die gesamte Route bis zum VP 3:
Ich hoffe nun, dass es dieses Format auch in kommenden Jahr geben wird, denn aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei 🙂
Ich danke abschließend den Organisatoren für die vielen tollen Neuerungen, den vielen freiwilligen Helfern für ihren guten Job, meinem Kumpel Straußi für den 1a Support auf der Strecke, natürlich Karli, dass er nicht müde wird, diese irrsinnigen Wege mit mir zu gehen und – last but not least – meinen drei Mädels zu Hause, die meine Ausflüge ohne Murren ertragen und mich immer wieder dazu ermutigen!!!
Starke Leistung!